Wir leben, so hören, lesen und erleben Sie es sicher immer wieder, in einer Zeit der Beschleunigung und Informationsüberflutung. Alles eilt, alles wird schneller. Auf die damit verbundene Form des Zeiterlebens möchte ich hier nicht eingehen, sondern dafür lieber über die Alternative sprechen, die uns hier, in diesen schönen Räumen des Schlosses Tiengen, wortwörtlich ins Auge springt.
Die Kunstwerke von Keummi Paik-Bauermeister und Günter Walter fordern uns dazu auf – das ist das verbindende Element –, die Zeit anders zu erleben, oder besser: uns selbst in der Zeit anders – nämlich intensiver und bewusster – wahrzunehmen.
Der südkoreanische Philosoph Byung-Chul Han, der an der Universität der Künste Berlin lehrt und der aktuell ein großes Publikum anspricht, drückt es so aus: wir brauchen eine andere Zeit, nämlich die Zeit als Gabe.
Was ist das, die Zeit der Gabe? Es ist die Zeit der Muße, der Erzählungen, des Festes, der Zeremonien und der Rituale. Es ist die Zeit des Erlebens von Dauer. Nicht die Zeit, die ich mir nehme, sondern die Zeit, die ich mir und meinen Mitmenschen gebe. Nicht zuletzt ist es die Zeit, die mit Kunst erlebt werden kann.
Farbe Linie Fläche – so der Titel dieser Ausstellung. Hier wird nichts abgebildet, es werden keine Geschichten erzählt. Diese Kunst kann, wenn man nach Klassifizierungen sucht, der konkreten Kunst zugeschrieben werden. Sie ist anschaulich, stofflich, sinnlich, greifbar. Die Farbe ist Farbe, die Linie ist Linie, die Fläche ist Fläche.